Ein Lob auf das Lehrer-Echo

Im Referendariat und bereits vorher in Schulpraktika-begleitenden Seminaren wurde uns gesagt: “Vermeidet unbedingt das Lehrer-Echo!” – Gemeint ist damit das Wiederholen von Schülerantworten im laufenden (tendenziell frontalen) Unterricht. Auch ein Kollege, der noch im Referendariat ist, erklärte mir zuletzt, dass ihm dieses Echo in einem benoteten Unterrichtsbesuch negativ angekreidet wurde. Manch einer mag sich fragen, warum … Gute Frage!

Das Lehrer-Echo gilt als verpönt, weil man mit der Wiederholung der Antworten angeblich die Schülerinnen und Schüler als denkende Individuen nicht ernst nimmt (zu den ungünstigen Wirkungen auch hier). Deswegen achten Ausbilderinnen und Ausbilder peinlich genau unter dem Beobachtungsschwerpunkt “Gesprächsführung” nach diesen Wiederholungen von Schüleräußerungen. Man lernt dies entsprechend zu vermeiden. Aber: Ich – und viele Kolleginnen und Kollegen – sehen höchst positive Effekte beim bewussten Gebrauch von Lehrerechos. Zum Beispiel:

  • Lernschwächere Schülerinnen und Schüler können von einer Wiederholung profitieren – gerade, wenn sie z.B. nicht in unmittelbarer Nähe des Sprechers sitzen.
  • Manche Schülerinnen und Schüler können ihre Äußerungen nicht direkt selbst in gleicher Weise wiederholen bzw. fühlen sich dann, wenn man sie um Wiederholung bittet (z.B. weil andere Lernende nicht aufmerksam waren), eingeschüchtert oder – in negativer Weise – besonders hervorgehoben. Ein “Echo” des Lehrers kann diese Situation vermeiden.
  • Die Wiederholung kann als Überbrückungs- und Denkzeit wirken, die sowohl Schülerinnen und Schülern als auch den Lehrkräften Zeit zum Nachdenken bietet, während der zuletzt geäußerte Gedanke noch einmal zum Anschluss wiederholt wird.
  • Im Fremdsprachenunterricht korrigierte Äußerungen im Lehrerecho bieten den Schülerinnen und Schülern die Möglichkeit, leise für sich den korrekten Satz erneut zu wiederholen, um ein Fehlerbewusstsein zu fördern und Fehler zu korrigieren.

Warnen möchte ich davor, jede Kleinigkeit zu wiederholen. Es ist auch wenig sinnvoll, Äußerungen zu wiederholen, die inhaltlich (fast) leer sind, also die inhaltliche Auseinandersetzung nicht weiterbringen. Auch muss ein Lehrerecho zur Methode passen: In einer eher lebhaften Diskussion ist sie in der Regel fehl am Platz, in einem fragend-entwickelnden Unterrichtsgespräch kann sie hingegen auch in unruhigen und/oder lernschwachen Gruppen als unterstützendes Gesprächsinstrument dienlich sein.

All dies hängt auch situativ von den Lerngruppen ab – auch “Schweigen” bzw. Warten kann Schüleräußerungen “provozieren”. Dennoch bin ich ein Gegner davon, das Lehrerecho per se zu verurteilen.

Dieser Eintrag wurde veröffentlicht in Wissenschaftliche Beiträge & Artikel und getagged , , , , . Bookmarken: Permanent-Link. Kommentieren oder ein Trackback hinterlassen: Trackback-URL.

2 Kommentare

  1. Erstellt am 28. April 2012 um 16:39 | Permanent-Link

    Ja, ja das Lehrerecho, dabei erwische ich mich auch immer wieder :D

  2. Lisa Zell
    Erstellt am 25. Januar 2018 um 13:48 | Permanent-Link

    Hallo!
    Ich bin selbst Ausbilderin und kann Ihnen nur zustimmen. Bewusst eingesetzt ist das Lehrer-Echo ein geeignetes Werkzeug des verstehenden Zuhörens. Man sollte nur das “Ping-Pong-Spielen” zwischen Lehrer und Schüler vermeiden. Nach einer möglichst aufeinander aufbauenden Meldekette (Schüler sagen “Ich sehe das nicht so wie Schüler XY, weil…”) kann das Lehrer-Echo zusammenfassend wirken und damit die “falschen” Schülerantworten überdecken.
    Viele Grüße!

Ihr Kommentar

Ihre E-Mail wird niemals veröffentlicht oder verteilt. Benötigte Felder sind mit * markiert

*
*

Du kannst diese HTML Tags und Attribute verwenden: <a href="" title=""> <abbr title=""> <acronym title=""> <b> <blockquote cite=""> <cite> <code> <del datetime=""> <em> <i> <q cite=""> <strike> <strong>

  • Dieser Blog beschäftigt sich mit der Förderung legasthener oder lese-rechtschreib-schwacher Englischlerner. Hier sollen Lösungen für LRS-Schüler/innen und deren Trainer/innen und Lehrkräfte vorgestellt und diskutiert werden.