Die Rolle der Lehrerbildung bei Legasthenie und LRS

Wie in meinem letzten Beitrag bereits angeklungen ist, beschäftigt mich das Thema Legasthenie und LRS (und nicht nur aus fremdsprachendidaktischer Perspektive, sondern allgemein) auch in meiner Rolle als jemand, der zukünftige Lehrerinnen und Lehrer in meinen Uniseminaren ausbildet und gestandene Lehrkräfte in der dritten Phase fortbildet. Leider spielt das Thema LRS (wie so viele andere wichtige Themen) weiterhin eine eher untergeordnete Rolle im Lehramstsstudium und auch im Bereich der Ausbildung in allen Phasen insgesamt, weswegen ich gemeinsam mit der Legakids-Stiftung das Projekt alphaPROF starte.

Was mir mit alphaPROF vorhaben, wie wir vorgehen und welche theoretische Konzeption und Fragestellung dahintersteht, lässt sich in dieser PDF nachlesen. Dort erfahren Sie auch, welche Bedeutung bislang der Lehrperson im Rahmen der Forschung zugekommen ist.

Nun setzt sich der Name der Projekts “alphaPROF” aus 2 Bestandteilen zusammen: Zum einen das “alpha” aus “Alphabetisierung”, zum anderen das “PROF” aus “Professionalisierung”. Während letzteres charmanterweise auch das französische Wort für “Lehrer” ist (was mir tatsächlich erst nach der Namensfindung aufgefallen war ;-) ), ist der Begriff “Professionalisierung” seit einigen Jahren im wissenschaftlichen Diskurs gerade im (schul-)pädagogischen Bereich sehr zentral geworden. Die Professionsforschung beschäftigt sich mit der Rolle des Lehrers, seiner Ausbildung, wie er professionell handeln kann und ob bestimmte Bereiche seines Wissens und Handelns möglicherweise unplanbar sind oder inwiefern Lehrkräfte für bestimmte Aspekte (“Kompetenzen”) aus- und fortgebildet werden müssten.

Sie merken, dass dies sehr große und allgemeine Fragen sind – im Detail sind diese auch tatsächlich bislang nicht vollständig beantwortet. Dennoch ist die schulpädagogische Professionsforschung ein sehr spannendes, lohnenswertes Feld. Dies zeigt sich auch an der zunehmenden Zahl an Veröffentlichungen in diesem Bereich und dem Erscheinen von zwei großen Handbüchern, die – in vielen Einzelbeiträgen vereint – den aktuellen Stand der Forschung zum Lehrerberuf darstellen:

  • buecher_lehrerprofessionalitätEwald Terhardt/Hedda Bennewitz/Martin Rohland (Hrsg.) (2011): Handbuch der Forschung zum Lehrerberuf. Münster: Waxmann. (Link zur Verlagsseite)
  • Olga Zlatkin-Troitschanskaia/Klaus Beck/Detlef Sembill/Reinhold Nickolaus/Regina Mulder (Hrsg.) (2009): Lehrerprofessionalität: Bedingungen, Genese, Wirkungen und ihre Messung. Weinheim: Beltz. (Link zur Verlagsseite)

Die Beiträge in beiden Sammelbänden stellen die aktuelle Forschung zum Lehrerberuf (Professionsforschung), ihre Tendenzen und Handlungsfelder dar. Es wird jeweils nicht spezifisch auf konkreter methodischer Ebene auf bestimmte unterrichtliche Aspekten wie z.B. LRS/Legasthenie eingegangen – und dies ist weder intentiert noch negativ. Beide Werke stecken jedoch den Handlungsrahmen von Lehrkräften ab, mit dem sich auch die Legasthenieforschung interdisziplinär auseinandersetzen, Anknüpfungspunkte und gemeinsame Projekte finden muss. Daher soll dieser Beitrag auch ein kleiner Aufruf und Appell sein, dass wir uns gemeinsam mehr auch mit der Rolle der (Förder-)Lehrkräfte beschäftigen und diese gut ausbilden müssen. Die Lehrkräfte, die mit den Lese-Rechtschreib-Schwierigkeiten zunehmend konfrontiert werden, müssen sowohl in ihrer Fähigkeit, Probleme zu erkennen, wie auch in den Möglichkeiten von Förderung und Binnendifferenzierung deutlich besser ausgebildet werden als bislang. Und dafür grundlegend ist sowohl die Forschung als auch die schulpolitischen Rahmenbedingungen und die positive Einstellung, auch wirklich die Förderung von Lese- und Schreibkompetenz in die Lehrerausbildung sowie letztendlich dann in die Schulen integrieren (oder inkludieren? ;-) ) zu wollen.

Wir versuchen mit alphaPROF einen ersten Schritt in diese Richtung zu gehen, indem wir – ausgehend von einem universitären, studentischen Projekt im Rahmen eines Seminars – Inhalte von Studierenden für Studierende und Lehrkräfte erarbeiten lassen, welche letztere nutzen können, um sich selbst zu “professionalisieren” und weiterzubilden im Bereich Legasthenie/LRS.

Wenn Sie selbst Lehrkraft sind, interessiert uns, was Sie als größte Schwierigkeiten in Ihrem professionellen Umgang mit lese-rechtschreib-schwachen Schülerinnen und Schülern im Unterricht sehen. Wir würden uns freuen, wenn Sie an unserer kurzen (natürlich anonymen) Umfrage teilnehmen würden.

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Neues Projekt: E-Learning-Portal für Lehrkräfte zu LRS

Gemeinsam mit der LegaKids-Stiftung und meinen Studierenden arbeite ich an einem kostenfreien Fortbildungsportal im Internet zu LRS, Legasthenie und Alphabetisierung: www.alphaPROF.de. Hier die offizielle Meldung:

alphaPROF und LegaKids7,5 Millionen “funktionale Analphabeten” gibt es in Deutschland – Erwachsene, die kaum oder gar nicht lesen und schreiben können. Dies führt zu einem stark eingeschränkten gesellschaftlichen Leben. Derzeit hat jeder sechste 15-Jährige große oder sehr große Schwierigkeiten im Lesen und Schreiben.

Nun wollen wir, Wissenschaftler und Studenten der Philipps-Universität Marburg in Kooperation mit dem LegaKids Team, diesem gesellschaftlichen Problem so früh wie möglich begegnen.

Wir entwickeln ein kostenloses E-Learning-Aus- und Fortbildungsangebot für angehende Lehrkräfte, Lehrerinnen und Lehrer im Schuldienst sowie außerschulische Förderkräfte mit dem Ziel, die Diagnose- und Förderkompetenz in Bezug auf Lese-Rechtschreibprobleme ihrer Schülerinnen und Schüler signifikant zu erhöhen.

  • Weitere Informationen zu dem Thema finden Sie im LRS-Blog von LegaKids und direkt auf der alphaPROF Homepage.
  • Sie sind Lehrerin oder Lehrer? Dann freuen wir uns, wenn Sie an einer kurzen Umfrage teilnehmen und so zum Gelingen des alphaPROF-Projekts beitragen: direkt zur Umfrage auf alphaPROF.
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Vorstellung: “Inklusion – Eine Kritik” von Bernd Ahrbeck

Ahrbeck: Inklusion eine KritikIn verschiedenen Beiträgen und Seminaren habe ich im Kontext von Legasthenie/LRS auch das Thema Inklusion wiederholt aufgegriffen. Besonders bemerkens-(oder bedenkens-?)wert war ein Seminar im gerade vergangenen Sommersemester, in dem ich mit Lehramtsstudenten erarbeiten durfte, wie inklusiver Fremdsprachenunterricht ermöglicht werden könnte. Dabei haben wir auch immer wieder das Inklusionskonzept und vor allem die Spannweite des Begriffs von der “totalen Inklusion” bis zu einer “Erhaltung der bereits jahrelang praktizierten ‘Integration’” diskutiert. Eine eindeutige Antwort fällt im Allgemeinen schwer, vor allem, wenn man (wie meine Studentinnen, Studenten und ich) noch selbst kaum inklusiven Unterricht erlebt bzw. über einen längeren Zeitraum selbst gehalten hat. Von unterrichtspraktischen Erwägungen einmal abgesehen, sind noch kaum die strukturellen und (schul-)politischen Rahmenbedingungen geschaffen, um inklusiven Unterricht erfolgreich und umfänglich an Regelschulen leisten zu können.

Bernd Ahrbeck, Professor an der Humboldt-Universität in Berlin, hat nun mit seinem Buch “Inklusion – Eine Kritik” eine Schrift vorgelegt, an der sich Verfechter “totaler Inklusion um jeden Preis” reiben werden: Er zeichnet ein nüchterneres Bild vom gesellschaftlichen Ziel, das viele mit Inklusion verfolgen.

“Den Schülerinnen und Schülern dürfte am meisten geholfen sein, wenn der Weg zu einer gemeinsamen Beschulung in einer moderaten Form erfolgt – abseits der Vorstellung, schulische Reformen könnten die Gesellschaft in ihrem Kern verändern.” (S. 141)

Vor allem ist Ahrbeck wohl eher pragmatisch und realistisch: Er räumt selbstverständlich behinderten Menschen das Recht auf Bildung und Gleichbehandlung sowie größtmögliche Förderung ein, vertritt dann aber auch die Position, dass bestimmte Schülerinnen und Schüler mit bestimmten Behinderungen in einer spezialisierten, sonderpädagogischen Einrichtung (Förderschule) besser aufgehoben seien als an einer Regelschule – und kontert damit gegen Inklusionsverfechter, die das Sonderschulsystem in Gänze abschaffen wollen, sich dabei auf die UN-Resolution berufen, in der von der Abschaffung eines solchen Systems aber keine Rede sei.

Er spricht sich für einen Mittelweg aus, der sich vielen Ansätzen interdisziplinär bedient und vor allem auch Unterstützung für die Personen vorsieht, die die Umsetzung von Inklusion leisten müssen: die Lehrkräfte.

Fazit: Lesenswerte, kritische Auseinandersetzung mit den aktuellen Diskussionen und Positionen inklusiver Pädagogik.

Weitere Infos: auf der Verlagsseite, Leseprobe als PDF

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Neue Veranstaltungen in der 2. Jahreshälfte

Gerade habe ich meine Veranstaltungsseite aktualisiert, im Herbst bin ich wieder häufiger wegen LRS und Englisch unterwegs. Hier in Kurzform:

  • 25. September: Pädagogische Woche Oldenburg
  • 27. September: Fachforum Englisch in Kirchhain
  • 11. Oktober: Göttinger Kongress zu Legasthenie/Dyskalkulie
  • 8. November: Interdisziplinäre Fachtagung des Legasthenie-Landesverbandes Hessen in Gießen

Für den Rest des Jahres kann ich leider keine weiteren Vorträge/Workshops annehmen, würde mich aber freuen, möglichst viele Interessenten auf einer der Veranstaltungen oben zu treffen! :-)

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Vorstellung: “Deutsche Sprache spielend lernen” von Hahnemann/Philippi

Titelbild: "Deutsche Sprache spielend lernen"Theoretisches Wissen um bestimmte sprachliche Strukturen bzw. den Umgang mit diesen sind (leider) nicht immer einheitlich bei allen vorhanden, die sich hauptberuflich mit dem Thema “Sprache” beschäftigen: Logopäden, Erzieher, Deutsch- und Fremdsprachenlehrkräfte, Legasthenietrainer und und und … Bei einer Recherche zu einem eigentlich anderen Bereich bin ich dann eher durch Zufall auf dieses schöne, kompakte Büchlein “Deutsche Sprache spielend lernen” von Suzan Hahnemann und Jule Philippi gestoßen. Und es hält tatsächlich, was der Name verspricht: Jedes Kapitel beschäftigt sich mit einer grammatischen Oberkategorie der deutschen Sprache (z.B. Phonetik und Phonologie, Syntax, Pragmatik) und stellt die sprachpraktische Theorie sowie die damit verbundenen Fachbegriffe einfach und verständlich anhand griffiger Beispiele vor. Anschließend finden sich Spiele, mit denen sich genau diese Sprachkategorien üben lassen bzw. Sprachbewusstheit bei Schülerinnen und Schülern (und auch Studenten sowie Fachkräften) fördern lässt.

Fazit: Es ist damit ein sehr praktisch orientiertes Nachschlagewerk zur deutschen Sprache mit einer schönen Balance von Theorie und Praxis, auf das man ständig zurückgreifen kann (und sollte) – auch für die LRS-Förderung bestens geeignet.

Weitere Infos: direkt vom Verlag, Interview mit der Autorin

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Übersicht der Englisch-Förderkonzepte

Übersicht LRS-Englisch-FörderprogrammeAuf diesem Blog stelle ich immer wieder Material zur LRS-Förderung in Englisch vor – und zwar neben denen anderer Autoren auch im vergangenen Herbst mein eigenes: wordly.

Letztens wurde ich in einer Veranstaltung gefragt, was ich denn von anderen Konzepten halte. Und ich kann offen sagen: Die meisten davon sind wirklich wunderbar auch zur Förderung geeignet! Und je nach dem, wie Sie selbst gerne arbeiten, ist das eine Konzept besser für Sie geeignet (auch besser als wordly! :-) ) als ein anderes. Daher habe ich mich einfach mal drangesetzt und stichwortartig zusammengestellt, was die einzelnen, aktuell in Deutschland auf dem Markt erhältlichen Förderkonzepte ausmacht, und welche demnach dann möglicherweise besser für Sie geeignet sind. (Diesen Beitrag würde ich auch immer wieder gerne erweitern, sobald es etwas Neues gibt. Schreiben Sie mir in den Kommentaren oder per Mail einfach, sobald Sie etwas finden, das noch nicht aufgeführt ist!)

Die Reihenfolge ist alphabetisch und stellt daher keine Ränge im Sinne einer Hitliste dar! Voraussetzung für die Aufnahme ist jeweils, dass das Konzept nicht nur einzelne Methoden oder Unterrichtsideen vorstellt, sondern komplett eingesetzt und damit ein Trainingsprogramm in Gänze darstellt. (Weiteres Fördermaterial mit einzelnen Methoden finden Sie auch in meinen Empfehlungen!)

  • Alfi und Betty (Günther Nieberle): mehrere Produkte basierend auf dem Förderkonzept von Günther Nieberle; Grundlage der Förderung ist ein Grundwortschatz der häufigsten Wörter (auch auf Basis anderer Förderkonzepte); Aufbau von Phonem-Graphem.Korrespondenzen und Aussprache (ausgehend von Phonemen) auch anhand Kontrastierung und Analogiebildung mit deutschen Begriffen – Preis: ab 35,-, Link zur Website
  • Englisch richtig schreiben – leichter lesen (Christiane Buda): Konzept mit Workbook-Charakter (64 Seiten), d.h. es wird direkt im Buch gearbeitet; strukturierte Vorgehensweise aufgeteilt auf mehrere Wochen Training; Einsatz ab 2. Lernjahr möglich; Aufbau von Graphem-Phonem-Korrespondenzregeln, kurze Diktate zur Festigung – Preis: 19,80, Buch auf amazon.de
  • Fit in Englisch trotz LRS (Bert Kerstin): zwei Förderhefte (120 Seiten), die jeweils sich auf Konsonanten und Diphthonge bzw. auf Vokale konzentrieren; Eingangstest dient zur Diagnose, was schon beherrscht wird, Weiterarbeit mit methodischen Arbeitsblättern folgt darauf entsprechend; nicht vorstrukturiert, Auswahl erfolgt auf Basis der Diagnose bzw. besonderer Schwierigkeiten; Aufbau der häufigsten Graphem-Phonem-Korrespondenzen anhand eines Grundwortschatzes – Preis: 35,90 für beide Hefte, Link zur Website
  • The Easy English Programme (Ursula Dorsch, Johannes Dreßler): strukturiertes Förderkonzept (440 Seiten) zum Aufbau von Graphem-Phonem-Korrespondenzen sowie Grammatiktraining (alle wichtigen Themen der weiterführenden Schulen); Beginn ab 5. Klasse möglich; 38 schulbegleitende Stunden; Festigung der Schreibweisen anhand motivierender Null-Fehler-Grenze – Preis: 199,-, Link zur Website
  • wordly Trainingskonzepte (David Gerlach): Basis sind die 300 häufigsten Wörter des Englischen, verknüpft mit Festigung der Graphem-Phonem-Korrespondenzen; Rechtschreibtraining (ca. 360 Seiten) wissenschaftlich evaluiert, sehr strukturiert aufgeteilt nach 30 Wochensitzungen; Lesetraining (ca. 430 Seiten) flexibel einsetzbar mit Lesestrategientraining, Ausspracheförderung und Übungen zur phonologischen Bewusstheit; Spiele und Motivationsstrategien zur Förderung von Motivation und Konzentration; Einsatz ab 5., eher 6. Klasse – Preis: 98,- für Rechtschreib- oder Lesetraining, EUR 159,- für beide Konzepte gemeinsam, Link zur Website
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  • Dieser Blog beschäftigt sich mit der Förderung legasthener oder lese-rechtschreib-schwacher Englischlerner. Hier sollen Lösungen für LRS-Schüler/innen und deren Trainer/innen und Lehrkräfte vorgestellt und diskutiert werden.